oder: Endlich Prozessverantwortung!
Was genau kann ein CRM und worauf sollten Sie achten, wenn Sie ein CRM für ein Energieversorgungsunternehmen aufbauen möchten? Stehen Sie vor der Entscheidung, ein eigenes Rechenzentrum aufzubauen oder vertrauen Sie sich einem Dienstleister an? Möchten Sie Ihre Geschäftsprozesse selber mitgestalten? Wie gehen Sie die Digitalisierung Ihrer Prozesse und Dokumente an? Mein Artikel gibt Ihnen viele Antworten und Ratschläge zu einem immer wichtiger werdenden Thema.
1. Was muss das CRM können?
Ein Customer Relation Management System – kurz CRM - ist das zentrale Tool, mit dem Kontakte zum Kunden und zu Interessenten verwaltet werden. Neben einer übersichtlichen Kundenakte werden zum Kunden Schreiben und E-Mails erstellt und versendet, es werden Geschäftsbeziehungen aufgebaut, Auswertungen durchgeführt, Prozesse gesteuert sowie Aufgaben und Teams verwaltet. Das System sollte dabei höchst flexibel anpassbar sein. Speziell für Energieversorger und Stadtwerke sind CRMs entwickelt worden, mit denen die Besonderheiten von Zählpunkten und Zähler verwaltet, der Lieferantenwechsel überwacht und Angebote und Verträge erstellt werden. Wichtige Geschäftsprozesse, die ein CRM höchst automatisiert beherrschen sollte sind unter anderem:
- Neukundenangebote/Vertragsverlängerungen
- Neukundenanlage und Lieferantenwechsel
- Tarif- und Produktanlage
- Bonus und Rabattierung
- Kundenrückgewinnung bei Kündigung aus der Marktkommunikation
- Vertriebspartnerverwaltung und Provisionierung
- Stammdaten und Bewegungsdaten-Verwaltung
- Schreibensteuerung mit QR-Code Erzeugung und automatischer Rückläuferverarbeitung
- Dynamisches Reporting
Aktuell stehen viele Energieversorgungsunternehmen davor, ihre Geschäftsprozesse zu verschlanken, die Digitalisierung zu erhöhen und ihre Produkte flexibler zu kalkulieren und weiträumiger anzubieten. Die Kommunikationskanale E-Mail, und Kundenportal nehmen dabei an Bedeutung stark zu. Ohne ein gut funktionierendes CRM ist dies heutzutage nicht mehr möglich.
Sollte noch kein CRM im Einsatz sein, so ist bei einer Anschaffung zu beachten, dass die Anbindung an das Energieabrechnungssystem und ERP-System möglichst integriert erfolgt oder aber die Systeme über langjährige und gut-funktionierende Schnittstellen verfügen. Zudem sollte die CRM Software so flexibel sein, dass Ihre Anforderungen alle umgesetzt werden können und Schnittstellen zu weiteren Systemen wie zum Beispiel Kundenportale, Vertriebsportale, DMS, Scansoftware vorliegen. Aber nicht nur die Software selber ist wichtig. Es sollte darauf geachtet werden, dass der Softwarehersteller das Fachwissen und IT-Wissen mit Ihnen teilt und dass es genügend Beratungsunternehmen gibt, damit Sie individuell und schnell Ihre Projekte umsetzen können.
2. Integriertes oder angebundenes CRM… oder doch BPO?
Für kleinere und mittelgroße Energie-versorger existiert neben SAP weitere Softwareanbieter, die eine Komplettlösung für Unternehmen anbieten. Hierzu zählen unter anderem WIlken-ENER:GY, Schleupen.CS, SIV-kVASy, Somentec-XAP, Neutrasoft-NTS.suite oder iS-WinEV. Hier sind dann eine Kreditoren- und Debitoren-buchhaltung, eine Materialverwaltung, eine Energie-abrechnung eine Marktkommu-nikationsdrehscheibe sowie ein CRM bereits integriert. Der Vorteil ist hier, dass die Softwaremodule gut miteinander kommunizieren und alle Daten vom CRM aus lesbar und nutzbar sind. Allerdings ist die Funktionsvielfalt der integrierten CRM-Systeme häufig eingeschränkt.
Unabhängige CRM-Anbieter haben da deutlich mehr Möglichkeiten zu bieten, sind häufig günstiger und vielseitiger. Auch hier gibt es Softwarehersteller, die sich speziell für Energieversorgungsunternehmen ausgerichtet haben und viele standardisierte Schnittstellen zum ERP und Energieabrechnungen anbieten. Hier auch einige Beispiele: SAP-CRM, Diligent-EnergieCRM, Cursor-EVI, NTT DATA-CS.manager, CAS genesisWorld und eNovation-CRM Energie.
Als dritte Möglichkeit bieten mittlerweile viele BPO-Unternehmen (Business Prozess Outsourcing) Dienstleistungen an, alle Arbeiten für die Energieversorger auf eigenen Systemen zu erledigen. Hiermit werden standardisierte Geschäftsprozesse gut kalkulierbar und es wird keine eigene IT zur Wartung und Verwaltung der Systeme benötigt.
Für EVUs mit schlanken Prozessen und wenigen Mitarbeitern kann dies die richtige Wahl sein. Bestimmen häufig spezielle Geschäftsprozesse das Tagesgeschäft, so ist meine Empfehlung für EVUs, die Verwaltung der Kundenanfragen sowie sämtlicher Geschäftsprozesse mit einer eigenen CRM-Software in den Griff zu bekommen. Die Automatisierung von Geschäftsprozessen kann damit individuell gesteuert und gelenkt und damit einen Wettbewerbsvorteil erzielt werden. Es ist wichtig, die täglichen Arbeiten eines Mitarbeiters durch Teilautomatisierung zu unterstützen. Hierdurch gewinnt der Mitarbeiter mehr Zeit, auf die Kunden einzugehen und deren Wünsche zu erfüllen.
3. Habe ich die "ManPower" zur Verwaltung des CRMs?
Ein eigenes CRM bedeutet häufig auch, dass die Software im eigenen Rechenzentrum installiert und gewartet wird. Die Wartung und ständige Erweiterung der Softwareumgebung sollte aber nicht unterschätzt werden. Sind gute IT-Fachkräfte im Unternehmen, so ist dem eigenen Rechenzentrum nichts entgegenzusetzen. Es können jedoch auch externe Rechenzentren genutzt werden, die bereits auf eine jahrelange Erfahrung mit der Software zurückgreifen kann - eine Betrachtung lohnt sich!
Was jedoch häufig übersehen wird, ist, dass die eigentliche CRM-Anwendung nicht von der IT sondern durch die Fachbereiche eingerichtet und verwaltet werden muss. Nur die Fachabteilungen kennen die eigenen Geschäftsprozesse und wissen, welche Dokumentenvorlagen verwendet werden. Die Prozessverantwortung liegt immer in der Fachabteilung und nicht in der IT. Daher müssen die Mitarbeiter entsprechende Kenntnisse im Prozess- und Workflowdesign kennen. Die IT sollte dann lediglich unterstützende Funktionen einnehmen, sei es zum Beispiel bei der Einrichtung und Wartung von Schnittstellen oder bei Fragen zu speziellen Datenbankabfragen. Stadtwerke haben zudem häufig das Problem, dass sie sowohl die Netz- wie auch die Vertriebsseite betrachten müssen. Die Bildung einer Shared-Service Gesellschaft bietet hier die Möglichkeit die Stärken der beiden Unternehmen zu bündeln.
Ob einfacher Vertrieb oder Shared-Service – in beiden Fällen ist es sehr wichtig, nicht nur IT-Fachkräfte auszubilden, sondern dafür zu sorgen, dass auch großes interdisziplinäres Fachwissen vorliegt und die Geschäftsprozesse lückenlos bekannt sind. Ein reiner IT-Mitarbeiter kann dieses Wissen nicht haben. Es müssen daher die Fachbereiche einbezogen werden. Dem dortigen Mitarbeiter muss neben den Benutzerrechten zur Anpassung der Geschäftsprozesse zudem die Möglichkeit geschaffen werden, sich in neue Funktion und Prozessthemen einzuarbeiten und stetig zu erweitern. Ein guter und einfacher Richtwert ist hier 70% Tagesgeschäft und 30% freie Zeit zum Einarbeiten in neue Themen. Die zusätzliche Freiheit fördert die Motivation der Mitarbeiter enorm.
Auch die Mitarbeiter, die das CRM im Kundenservice oder Backend nutzen, müssen sich gut mit dem CRM vertraut machen. Ich habe häufig eine große Scheu beobachtet, wenn neue Systeme eingerichtet werden. Dies kann dann so weit führen, dass die Nutzung des CRMs ganz ausbleibt und wie bisher lediglich mit den Abrechnungsfunktionen gearbeitet wird. Um das zu verhindern, müssen Ihre Mitarbeiter zum einen von den Vorteilen des CRMs überzeugt werden. Zudem sollten Sie Ihre Mitarbeiter in der Workflowumsetzung von Geschäftsprozessen frühzeitig mit einbinden. Da hier der Mehrgewinn direkt wahrgenommen wird, steigt die Akzeptanz am deutlichsten.
4. Neue Formen der Organisation
Ob Prozessmanager, Reporting-Spezialist, Anwendungsadministrator, Vorlagendesigner, Anforderungsmanager, Konzeptersteller, Projektmanager (natürlich männlich wie weiblich) – diese zentralen Mitarbeiter-Funktionen muss ein EVU bei sich aufbauen und fördern. Dabei muss genau betrachtet werden, in welchen Fachbereichen diese Fachkräfte positioniert werden.
Eine weitere, wichtige Funktion, die besonders in größeren Unternehmen immer mehr an Bedeutung erlangt, ist die des Kommunikationstalents. Ich habe viele Projekte scheitern sehen, weil zu wenig kommuniziert wird und zu sehr in Kästchen gedacht wird. Die Folgen sind, dass auf andere Mitarbeiter oder Organisationseinheiten geschimpft wird, dass Frust entsteht und in großen Projekten jeder nur seine eigene Haut retten will. Wie wichtig sind dann Mitarbeiter, die es verstehen, Personen wieder zusammenzubringen, das Gesamtziel im Auge behalten, sich aktiv in die Belange des Unternehmens einzumischen und für eine gute Arbeitsatmosphäre sorgen. Bei der Auswahl solcher zentralen Mitarbeiter ist häufig nicht mehr der schulische oder akademische Grad ausschlaggebend, sondern vielmehr die rein menschliche Stärke - eine herausfordernde Aufgabe für ihre Personalabteilung.
Neben der personellen Entwicklung sollten jedoch auch die organisatorischen Formen im Unternehmen genau betrachtet werden. Wie wird zum Beispiel eine Anforderung aufgenommen? Wer bestimmt, was entwickelt wird? - und wie schnell kann eine Lösung für ein Problem gefunden werden? Das Modell von Fachkonzepten mit beliebig vielen Detaillierungsgraden ist mittlerweile veraltet und sollte nicht mehr häufig angewendet werden. Das Risiko einer Fehlprogrammierung und die Kosten sind viel zu groß. Agilere Formen der Organisationen und Softwareentwicklung entstehen mittlerweile in vielen großen und kleinen Unternehmen – und das mit großem Erfolg.
Es geht hier darum, dass bei der Entwicklung darauf geachtet wird, in kleinen dynamischen Teams zu arbeiten und schrittweise kleine Entwicklungen voranzutreiben, die jede für sich bereits einen Mehrwert für das Unternehmen bietet. So kann zum Beispiel aus einer ersten Anpassung eines Angebotsschreibens und der Entwicklung eines Rückläufer-Prozesses eine unternehmensweite Strategie zur Digitalisierung des Postein- und Ausgangs entstehen - Ohne großes Fachkonzept aber immer nah am Mitarbeiter und an dem, was das Unternehmen wirklich braucht.
5. Mein Fazit
Mit einem dynamischen und auf Ihre Bedürfnisse ausgerichteten CRM, mit eigenem und gut geschulten Fachpersonal und einer neuen Form von Organisationsstruktur ist jedes EVU in der Lage, die eigenen Geschäftsprozesse zu optimieren, stärker zu automatisieren und die Digitalisierung voranzutreiben. Ohne das richtige CRM kann jedoch ein EVU auf dem Markt nur noch reagieren aber nicht proaktiv handeln. Ein Energieversorger sollte sich somit nicht mehr die Frage stellen, ob ein CRM eingeführt werden soll sondern vielmehr was für ein CRM das richtige für das Unternehmen ist und wie tief es in das Prozessmanagement selber eingreifen will. Meine Empfehlung für Sie lautet: Stellen Sie sich der Herausforderung und nutzen Sie die Chance die Prozessverantwortung in die eigenen Hände zu nehmen.
Die Bilder für diesen Blog-Eintrag stammen von pixabay.
Über unser Beratungsnetzwerk und per Klick auf die Bilder finden Sie hier weitere spannende Artikel zum Thema "CRM erfolgreich einführen - DIE Perspektiven für Ihr Unternehmen".
Kommentar schreiben